Keine Sorge, wir sind nicht plötzlich in die Karibik auf die Antillen verschwunden wie der Titel evtl. vermuten lassen könnte, sondern wir waren wieder drei Wochen –etwas länger als geplant- auf den Mentawais. Und natürlich gibt es wieder berichtenswerte Dinge über Inselkoller, Königscobras, UNO-Olympiaden und Emanzipation in den Wellen.

Wenn man zu lange allein unterwegs ist, wird man seltsam. Als wir nämlich wieder im Line Up unseres Home Surf Spots Beng Bengs auf Nyang Nyang auftauchten, kam uns das Gesicht eines Deutschen doch recht bekannt vor. Er hat 6 Wochen am selben Strand verbracht, allein und ohne Boote zu anderen Surfspots zu nehmen. Er hatte zwar noch keinen Volleyball namens Wilson mit dem er gesprochen hat, wie Tom Hanks in Cast Away, aber ich schwöre er war kurz davor. Mir schwant Böses für nächstes Jahr, wenn ich ohne Alja wieder zum Surfen aufbrechen will.
Auch zu zweit entwickelt man recht spleenige Zeitvertreibsstrategien wenn Wind und Wellen nicht so wollen wie man selbst. Vor allem der Wind auf den Inseln limitierte die Surfspotwahl erheblich, da bei Südost bis Südwinden nur wenige Wellen perfekt laufen. Zum Beispiel entdeckt man Bäume als 3m Brett (wir beide),

Alja hat sich am Bademeister vorbei auf den 3m Baum geschlichen
Alja hat sich am Bademeister vorbei auf den 3m Baum geschlichen

 

Ein Sprung von dem nach MIN (Mentawai Industrie Norm) geprüften Sprungbrett
Ein Sprung von dem nach MIN (Mentawai Industrie Norm) geprüften Sprungbrett

man sortiert seine potentielle Korallen- und Muschelschmuggelware nach Größe, Farbe und Form (Alja), man sinniert darüber nach wie ein plötzliches Erdbeben bisher unsurfbare Close Outs in Weltklasse Wellen verwandelt und wie man sie nennen könnte (Ich). Oder man erzählt sich möglichst angsteinflössende Geschichten über die Fauna der Insel (Jeder). Alja und ich fanden eine 3m lange schwarze Schlange am Strand (tot) und drei Camps weiter hat jemand im Dschungel auf dem Weg zum Surfspot –oder zum Hühnergehege, die Geschichte variierte- eine vier meter Königscobra gesehen (lebendig und aufgerichtet). Manchmal fühlt man sich auch in seine Teenagerzeit zurückversetzt wenn einen 40-jährige Australier zu einem UNO-Marathon herausfordern.

Aljas Hobby
Aljas Hobby

Surfseitig geht es voran. Ich habe mich endlich mal überwunden und in Ebay und Hideaways in den Abgrund gestürtzt. Im Gegensatz zu gemütlichen Wellen wie Beng Bengs ist es hier nämlich kein entspanntes Anpaddeln der Welle, sondern ein fast senkrechter Absturz eine 3m Wasserwand herunter. Gute Wellen brechen nämlich sehr schnell, saugen Wasser vom Riff (so dass man meint man steht auf der Stelle während man wie verrückt paddelt) und möchten einen mit der Lippe direkt wieder dorthin zurückbefördern wenn man den Take Off versaut. Überhaupt ist es nicht nur eine Frage von Können, sondern von Wollen, wenn man 3m unter einem die Wasseroberfläche sieht und darunter die bunten aber messserscharfen Korallen, auf denen nur noch ein letzter Rest kristallklaren Wassers verbleibt.

Hideaways, leider weder Alja noch ich, aber auch ich habe mich eine Setwelle herunter getraut.
Hideaways, leider weder Alja noch ich, aber auch ich habe mich eine Setwelle herunter getraut

Ich hatte drei Wellen in Hideaways. Auf der ersten habe ich mich fußpositionssuchend und herumhampelnd zum Affen gemacht, die zweite hat mir wortwörtlich mit dem Riff den Hintern versohlt (die zerrissene Boardshorts ist mein Zeuge) und die dritte war selbst ohne Barrel alles vorherige Leiden wert.

Das Riff: Nur anschauen, nicht in den Körper stecken.
Das Riff: Nur anschauen, nicht in den Körper stecken.

Aljas Surfen machte ebenfalls Quantensprünge und gipfelte in der Entdeckung des Top Turns. Das heisst: Endlich die Welle entlang rippen. Wäre sie einmal in die Knie gegangen hätte sie sogar vor mir ihre erste Barrel gehabt, aber so hat sie leider (gottseidank 😉 ) die Lippe vom Brett geputzt. Ausserdem ist ihr das 6.0er Shortboard nicht mehr zu klein, da sie nun Paddelpower und Selbstvertrauen in einer explosiven Mischung vereint.

Aljas Libenlingsspot Beng Bengs. Jemand drauf mir rein. Hurrah!
Aljas Lieblingsspot Beng Bengs. Jemand droppt mir rein. Hurrah!

Überhaupt, Frauen und Surfen. Ohne jetzt in Mario Barthsche Comedy-Kalauer-Abgründe abtauchen zu wollen, möchte ich diesen Absatz dem Stand der Emanzipation im Sport der Könige widmen. Alice Schwarzer würde sich im Grabe ihrer 68er Ideen umdrehen, wenn sie wüsste wie die Töchter ihrer Kampfgenossinnen damit umgehen. Während selbst die Vorstände börsennotierter patriachalischer Daxunternehmen durchgegendert werden, weht unangefochten das Banner des Machismo über dem Surfsport. Im Gegensatz zum Klettern, wo Mädels Gott sei Dank längst keine Mitbringsel am Fels mehr sind, gibt es hier noch das Beachbabe, das dem beinharten australischen Hengst beim Wellenvernichten zuguckt; wenn sie denn überhaupt mit auf Surftrips will. Surfen die Mädels dann tatsächlich selbst, sind sie Ziel all des überschüssigen Testosterons, das Surfer auf ihren langen Trips ansammeln. Sie werden angebaggert, zu Drinks eingeladen und wie kleine zerbrechliche Püppchen behandelt. Eine Welt in der nicht die beste Surferin die meisten Instagramm Follower hat -wie es bei den Männern ist-, sondern Alana Blanchard bzw. ihr Po (Profi Surferin, die immer sehr knapp bekleidet surft), ist so gar nicht 21st Century. Allerdings tun die Mädels im Line up nicht viel dagegen, wenn sie – O-Ton einer Surferin aus Südamerika – : „auch immer viel lieber im Bikini als in Boardshorts surfen“ oder „sich total freuen wenn sie im vollen Line Up immer Wellen geschenkt bekommen, weil die Typen damit beschäftigt sind uns auf den Po zu gucken“. Aber es gibt ja glücklicherweise Ausnahmen, mit einer bin ich unterwegs. Man muss ja als Mädel keine dogmenstrotzende Frau Schwarzer sein, oder als Typ ein esoterischer kuschelwuschel Sozialpädagoge, aber ein bischen Moderne im Surfsport wäre doch bei beiden Geschlechtern schön. So, jetzt ist aber Schluss mit politischen Manifesten.

Girls just wanna have fun....
Girls just wanna have fun….

Zurück zu den Menschen. Man lernt viele witzige und spannende Leute von Namibia bis Cornwall kennen, wenn man auf abgelegenen Inseln ohne Internet herumhängt. Und man unterhält sich mit Ihnen! Der Kontrast zur Hotellobby in Padang, wo alle Gesichter dann wieder vom Schein der Handys erhellt werden, könnte nicht größer sein. Ein Highlight war ein sehr lebensfroher Namibier, der auch mit ramponiertem Fuß und demoliertem Board auf fast trockenem Riff liegend nicht die Contenance verlor, während er darauf hoffte, dass die nächste 4m Welle, die nur wenige Meter vor ihm einschlagen würde, genug Wasser aufs Riff spülen würde, damit er wieder nach draussen paddeln konnte. Ein richtig fitter Surfer, der auch die noch so heftigsten Wellen (z.B. Skeleton Bay bei ihm zu Hause, ein angsteinflössendes Monstrum von Welle) als „fun Wave“ bezeichnete. Oder auch der Australier, der in Beng Bengs ein weiteres Surfcamp baut, Alja und mir Privatcoaching gegeben hat und mit dem man sich über die großen Filmtriologien der 80er Jahre unterhalten konnte, war ein witziger Gesprächspartner.

Mr. Coco, die gute Seele des Bintang Camps.
Mr. Coco, die gute Seele des Bintang Camps.

Jetzt sind wir wieder in Padang und planen die letzten vier Wochen des Trips. Wir können es kaum fassen, dass es fast vorbei ist. Auf der Zielgeraden in Krui und Aceh wartet die Barrel. Hoffentlich.