Nachdem wir in den vier Tagen am Turnagain Pass unser Jetlag auskuriert hatten, ging es zurück zum Flughafen Anchorage und mit dem Flugzeug nach Cordova, einer pitoresken kleinen Hafenstadt am östlichen Prince William Sound, die man nur per Schiff oder Flugzeug erreichen kann, da keine Straße vom Festland durch die Schnee- und eisbedeckten Chugach Mountains führt.

Die Chugach Mountains sind ein unbewohnter Gebirgszug so groß wie die Alpen, der sich von Anchorage bis zur Elias Range erstreckt und zu den schneereichsten Gegenden der Welt zählt.

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Die Chugach Mountains, zwanzig bis dreissig Meter Schneefall pro Winter

Gewaltige Gletscher ergießen sich aus den Bergen ins Vorland und im Gegensatz zu den Alpen sind nicht alle unbedingt auf dem Rückzug, so dass man immer noch direkt an der Endmoräne den Gletscher bestaunen kann.

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In kalten Wintern kann man im Endmoränensee Schlittschuh laufen, Gletscherhöhlen inklusive.

Das hat damit zu tun, dass hier solche gewaltigen Niederschlagsmengen als Schnee fallen, dass eine höhere Temperatur an der Gletscherzunge durch den Klimawandel noch nicht ins Gewicht fällt, da sehr viel Masse von oben nachrückt.

Ein perfekter Ort für Heli Skifahren also. Wenn Skifahren eine Religion wäre, wären die Chugach Mountains Mekka und Heliskifahren eine Pilgerreise, die jeder Gläubige in seinem Leben einmal gemacht haben sollte. Wenn man über das nötige Können verfügt gibt es wohl nichts unglaublicheres, als in Alaska aus dem Hubschrauber zu steigen und die Besonderheiten der maritimen Schneedecke zu erleben.

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Alja geht gerne mit dem Heli in die Kirche. 3… 2… 1… Dropping.

Es gibt Unmengen an Schnee, der aufgrund der Nähe zum Meer auch in den steilsten Hängen kleben bleibt, ohne dabei „Pappschnee“ zu sein, aus dem man Schneemänner bauen könnte. Diese Kombination aus „Steep & Deep“ macht die Gebirgszüge Alaskas so einzigartig für Freerider.

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Vor steep and deep heisst es immer steep and buddel, da man ein Schneeprofil graben muss.

 

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Das „Hidden Couloir“ sieht furchteinflößender aus als es war.

Der Heli ist oftmals die einzige Möglichkeit das auszunutzen. Denn während die Alpen großteils erschlossen sind und Heli Ski fahren dort absolut keinen Sinn ergibt, ist man in den Helizonen hier oft 15, 20 oder gar 30 km von der nächsten Zivilisation entfernt und würde diese Berge sonst nie befahren können.

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Enter the Zone. Im Hintergrund warten unzählige Linien inmitten der Wildnis, manche noch immer unbefahren.

Es gibt natürlich auch Unwägbarkeiten. Zum einen ist da natürlich das Wetter, denn irgendwo muss der viele Schnee ja herkommen und bei Schneesturm fliegt es sich nicht sehr gut mit dem Hubschrauber. So kann es passieren, dass es auch mal eine Woche am Stück schneit und zum Beipsiel die Gäste der ersten Woche, Ende Februar, nur in ihrer Unterkunft auf ein Wetterfenster gewartet haben. Das ist uns zum Glück erspart geblieben.

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Das möchte man am Morgen sehen. Blauer Himmel und vollgetankte Helis.

Zum Anderen ist da die Lawinengefahr, denn selbst in Alaska kann man nicht immer alles fahren, obwohl es häufig deutlich stabiler als in den Alpen ist. Das hat uns leider diesen Trip getroffen, denn die erhofften spektakulären Hänge, die einem noch Jahrzehnte später im Gedächtnis bleiben, sind wir in Cordova nicht gefahren.

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Auch in stilsicherem Schwarzweiss eher unangenehm. Eine Schneebrettlawine löst sich.

Möglicherweise habe ich dieses Jahr aber nach über fünfzig Skitagen einfach auch zu hohe Erwartungen, denn alles unter 45° fühlt sich einfach spielerisch an.

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Wie kann man sich amüsieren?……
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…..Mit ein bisschen Airtime. Was man nicht sieht ist die Landung auf einer harten Windlippe unter dem Pulverschnee und die darauffolgende Skibindungsexplosion sowie die drei kunstvollen Überschläge des Protagonisten. Lügenpresse, verheimlicht immer die Wahrheit!

Und dann gibt es den menschlichen Faktor der Gruppen. In Haines vor drei Jahren hatten wir Glück und waren mit starken Fahrern unterwegs und auch jetzt in Cordova hatten wir zwei schöne Tage mit den Jungs aus der Küche von Points North, den Ski Bums, die hier im Winter als Tellerwäscher ihr Geld verdienen und immer mal wieder mit raus dürfen, wenn ein Platz im Heli frei ist.

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Ein nettes Couloir am Küchencrew Tag, nicht wirklich steil aber nett….
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… Alja cruist gemütlich ins Tal.

Aber einen Tag durften wir Babysitter für einen Australier spielen. An sich ein netter Typ, der sich nur leider ab 35° beinahe in die Hose gemacht hat und definitiv nicht das fahren wollte, was wir hätten fahren wollen. De facto haben wir an diesem einen Tag zusammen 2000 Euro ausgegeben, um Sachen zu fahren, die Alja und ich hätten rückwärts mit verbundenen Augen fahren können und die man in den Alpen an jeder Ecke findet.

 

Das kann halt passieren, wenn man keine ganze 4-5er Gruppe hat, die den Heli füllt. Im Gegensatz zur sonstigen Heli Klientel tat uns das weh, denn 2000 Euro sind für uns eben kein Taschengeld. Insbesondere, da andere Gruppen wirklich spannende Sachen gefahren sind, während wir auf irgendwelchen Gletschern herumhampeln mussten.

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Es ist ja nicht so, dass Powder fahren schlecht wäre……
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Aber man kann das auch für deutlich weniger Geld haben. Alja straightlined sich etwas Spaß in den flachen Hang.

An einem der beiden Küchencrew Tage kamen wir immerhin in den Genuß eines besonderen Schmankerls, da Seth aus der Küche Geburtstag hatte und Mark der Helipilot ihm eine Freude machen wollte. Normalerweise müssen die Piloten auch in Amerika darauf achten schnurgerade und gesittet in einer ordentlichen Höhe zu fliegen, allerdings ist man ja in Alaska… Wenn die Kameras aus sind und man im Crew Heli sitzt schaltet der Pilot den metaphorischen Nachbrenner ein und es geht mit Tempo 200 durch enge Schluchten oder in Schrauben über den nächsten Bergkamm. Besser als jede Achterbahn, allerdings keine wirkliche Entschädigung für mittelmäßiges Skifahren.

Die einzigen Momente mit Nervenkitzel waren ein Abstieg über steilen vereisten Fels in das kurze steile Couloir und das Alaska Down Day Entertainment.

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Ein wenig Nervenkitzel. Der Australier wäre am Einstieg mit akuten Herzrhythmusstörungen liegen geblieben.

Denn was macht man wenn es schneit und man nicht fliegt? Man geht in den Supermarkt, kauft Kohlköpfe ein, um dann am Schiessstand unschuldigem Gemüse und Getränkedosen mit einer 44er Magnum oder einer Schrotflinte zu Leibe zu rücken. Freizeitgestaltung Alaska-Style. Bei keiner der Abfahrten habe ich mich so unwohl gefühlt wie mit der 44er in der Hand und die NRA muss wohl auch weiterhin auf mich als Mitglied verzichten.

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Alja begleicht eine Rechnung mit der Dosenmafia, payback time!
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Wären die Kohlköpfe Zombies gewesen, hätten sie mein Gehirn verspeist, denn auch mit einer Schrotflinte trifft man nicht so leicht wie man es aus Funk und Fernsehen kennt.

Ansonsten geniesst man an Schlechtwettertagen einfach den Müßiggang, schaut den Seeottern im Meeresarm, an dem die Lodge liegt, zu, oder fährt nach Cordova in die „Anchor“ Kneipe und spielt Billard.

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Putzigkeit kennt keine Grenzen, vor allem wenn sie noch ein Baby auf dem Bauch transportieren. Aawww….. süüß.

Wenn man Glück hat wird man Zeuge einer beinahe Kneipenschlägerei, bei der es um das in Alaska seltenste Element geht. Nein nicht Gold oder Erdöl; Mädels! Wie uns ein weiser Alaskaner gesagt hat, ist das hier nun mal so und aus Frauenperspektive heisst es: „The odds are good, but the goods are odd!“

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Bei Sonnenuntergang in den Saloon. Yeehaaw.

Oder man versucht sein Geburtstagsgeschenk, das literarische Experiment des Star Wars Regisseurs J.J. Abrams, zu entschlüsseln. Nein, kein Science Fiction, sondern „Das Schiff des Theseus“, bei dem es sich um ein Buch im Buch handelt. Denn während das eigentliche Buch ein etwa im frühen 20. Jahrhundert angesiedeltes kafkaeskes Werk des Autors V.M. Straka über einen Gewissen S (Ja, nur S) sein soll, findet das Buch im Buch auf den „Randnotizen“ zweier Studenten, die das Buch angeblich ausgeliehen haben, statt. Man kann ihnen darin beim sich kennenlernen -sie schreiben sich hin und her und lassen das Buch in der Bibliothek liegen- und hinter das Geheimnis des „Autors“ kommen, zuschauen. Im Buch mit viel Liebe zum Detail verteilt liegen Briefe, Servietten, Postkarten und allerlei andere Gimmicks mit Informationen herum, die auch von den Studenten „darin zurückgelassen“ wurden. Klingt kompliziert? Ist es auch, aber sehr sehr lesenswert (das Buch und auch das Metabuch in den Notizen!) und garantiert nicht am E-Reader machbar. Eine wunderbar haptische Liebeserklärung an das gedruckte Buch.

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Auch hier kann man mit Blick auf den Hafen von Cordova sein Buch lesen; unsere kleine Pension, wo wir jeweils einen Tag vor und nach der Heliwoche verbrachten.

Auch wenn die Woche ausgesprochen schön war, muss man die Frage stellen dürfen, ob sie es wert war ein paar Monatsgehälter für ein bißchen Luftachterbahn und netten Schnee zu investieren? Wir haben die Frage leider mit einem Nein beantworten müssen. Aber wer nicht wagt der nicht gewinnt, denn in Haines vor drei Jahren hatten wir ja ausgesprochenes Glück mit Guide, Gruppe, Wetter…  und nur der Schwabe grämt sich ob des verlorenen Hellers.

 

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Nordlicht in Cordova. Nur soviel sei verraten: das ist noch gar nichts. Am Thompson Pass standen auch die Locals quietschend und schreiend auf dem Parkplatz als der ganze Himmel in Flammen stand.

Wir genießen jetzt die letzten drei Wochen am Thompson Pass und in Valdez. Ob wir noch einmal in einen Heli steigen werden? Wer weiss. Ich habe mich Dank Mundpropaganda von Andi aus Salzburg schon mal bei einem Anbieter nach einem Angebot erkundigt, dass nur unter der Ladentheke existiert. Die sogenannte „Mission“, für Leute die sich gerne mal in die Hose machen wollen oder bisher enttäuscht wurden. Offiziell existiert dieses Angebot nicht. Man fliegt, nach vorherigem Fahrkönnens-Check, nur die steilen und richtig richtig steilen Trophäenlinien an. Wenn sich eine Gruppe dafür ergibt, begeben wir uns evtl. nochmal etwas in den Dispo.

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Ein bißchen länger…..
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…und ein bißchen steiler auf mehr als drei Schwüngen und wir wären glücklich gewesen.

Wenn nicht: Der Thompson Pass wird seinem Ruf als Freeridemekka mehr als gerecht und es gibt Filmlinien zum selber hinauftouren direkt ab dem Wohnmobil. Was wir jetzt nur brauchen ist ein Wetterfenster. Im Moment sieht es nach 5 Tagen Schneefall aus und wir trainieren fleissig für die Weltmeisterschaften im Däumchendrehen.

Gibt es ein Happy end? Mehr dann in Teil III.

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Farewell Helibase. Ein letzter Blick aus unserem Zimmerfenster.