Wir hatten ja fast alles was ein amerikanisches Lebensgefühl ausmacht, Fast Food und Waffen, Heli Powder und Badehosen in der self made Sauna. Es fehlt nur noch das Gefühl on the Road zu sein, denn grenzenlose Mobilität ist Teil des amerikanischen Traums und wir wollten doch den amerikanischen Powdertraum leben. Daher haben wir die letzten drei Wochen unserer Reise im Wohnmobil an der Last Frontier verbracht und wurden nicht enttäutscht.

Unser erster Stop sprach für sich selbst. Thompson Pass, ein 800m hoher Pass bei Valdez in South Central AK und der einzige Ort an dem eine Straße die Chugach Mountains durchschneidet, da dort ebenfalls die Ölpipeline aus dem eisigen Norden mit seinen Ölfeldern zum Verladehafen von Valdez führt.

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„The King of the Road says you move too slow!“ – Unendliche Weiten wir schreiben das Jahr 2016 und dies sind die Abenteuer des Roadschiffs Enterprise.

 

Valdez ist seit den 90er Jahren das Epizentrum der Heliski Entwicklung, denn hier hat alles seinen Anfang genommen und hier sind immer noch am meisten Heliskifirmen auf engstem Raum ganz einfach weil es die größte Dichte an beeindruckenden Linien auf engstem Raum gibt. Seit mindestens ebenso langer Zeit gehen die weniger gut betuchten Skifahrer hier vom Pass aus Skitouren, auf der Suche nach ihren Alaska Traumlinien.

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Der Thompson Pass im Nordlicht. Schneemassen und eine geniale Flanke neben der Anderen.

Und tatsächlich wenn man hier rechts und links guckt, sieht man ein fantastisches Face neben dem anderen. Sogar der „Tusk“ –ein steiler ikonischer Felszahn- , die „Books“ –wunderschöne steile Rampen, die wie im Bücherregal aufgereiht sind- oder der „Meteorite“  -ein furchteinflössender 800 Höhenmeter 50° Pfeiler- sind von der Straße aus zu sehen, aber nur mehr mit dem Skidoo erreichbar.

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„The Books“ Der berggewordene Traum eines jeden Freeriders

Unser Zuhause für die nächsten drei Wochen war ein riesiges siebeneinhalb Meter Straßenschiff, das ca. 20 Liter Benzin auf 100 km geschluckt hat und alle vorstellbaren Annehmlichkeiten bot,  inklusive der nach außen ausfahrbaren Sitzecke (In der Tat! Die Wohnmobilwand schob sich samt Boden und Sitzecke einen halben Meter nach außen). In der ABC Motorhomes Flotte ist es jedoch das zweitkleinste Wohnmobil, das man mieten kann. Bis zu ZEHN Meter große Monströsitäten warten auf den geneigten „Abenteurer“. Möglich wird das alles nur durch die US Straßenführung, denn echte steile Pässe gibt es Gott sei dank nicht.

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Home sweet home, winzige 7,30 Meter.

Gleich am Abend, als wir mit unserem RV am Thompson Pass angekommen waren, wurden wir von Mutter Natur mit einem Himmelsfeuerwerk der Extraklasse begrüßt. Anfangs sahen die Nordlichter nur ganz nett aus, aber waren nicht sehr stark. Wir machten ein paar Photos und waren sehr froh so etwas erleben zu dürfen. Da es jedoch auch ziemlich kalt draußen war, gingen wir nach einiger Zeit zurück ins Wohnmobil. Kurz darauf fingen unsere Nachbarn am Lagerfeuer plötzlich an zu kreischen und es klopfte wie wild gegen unsere Tür. In Erwartung eines Axtmörders öffneten wir vorsichtig die Tür und unsere Nachbarn meinten nur: „Come Back out! It’s going off!“ Und recht hatten sie. Es war so ziemlich das coolste was wir je am Himmel gesehen haben. Grüne und rote Bänder waberten über den Himmel und sie waren überall. Sogar die Locals meinten, dass sie so etwas nur sehr sehr selten zu sehen bekämen.

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Hier war es noch nur ganz nett. Zehn Minuten später brannte der Himmel.

Am nächsten Tag war unser erstes Ziel schnell klar, der Python eine bis zu 45° steile Flanke, die sich oberhalb eines Gletscherbeckens erhebt. Aufgrund wechselnder Widrigkeiten brauchten wir jedoch drei Anläufe bevor wir in die Flanke einsteigen konnten. Am ersten Tag kapitulierte Aljas Bindung. Beim nächsten Mal zog es zu. Schlussendlich gelangten wir aber im dritten Versuch in den steilen Pulver und arbeiteten uns Stück um Stück mit unseren Ascent Plates nach oben.

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Der Python. Ziel Nummer eins, sieht ja gar nicht so wild aus.

Hier waren wir nämlich klüger als im Wallis und hatten uns technische Hilfe für steilen Tiefschnee mitgebracht. Kleine Aluplatten, die man zwischen Steigeisen und Skischuh schnallt, damit man nicht so tief einsinkt.

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Beim Näherkommen sieht der Python größer, steiler und gigantischer als es aus der Ferne den Anschein hatte.

Als wir dabei waren, uns die steilen letzten 200 hm des Python mit den Ascent plates hochzukämpfen, wurden wir zweimal von Helis überrascht, die den Gipfel umkreisten, um das Face auszukundschaften. Als sie uns jedoch beim Aufstieg in dem 45 ° steilen Hang entdeckten, waren sie so freundlich ihre Skifahrer nicht oben abzusetzen und flogen erstmal woanders hin. Das wäre nicht nur schlechter Stil, sondern schlichtweg gefährlich gewesen, denn selbst wenn sie keine Lawine ausgelöst hätten, hätte uns ihr „Sluff“, der Lockerschnee, den man bei der Abfahrt mit jedem Schwung in der Steilwand löst, aus der Wand gepustet.

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Hier möchte man nicht von oben weggeslufft werden.
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Hier verfolgt mich der Sluff auch im recht flachen 40° Gelände. Wenn es richtig steil und tief ist, kann er einen wie eine Lawine wegputzen.

Nach dieser ersten gelungenen Aktion suchten wir uns weitere Ziele, aber zuerst musste Alja im örtlichen Hardware Store in Valdez Ersatzschrauben besorgen gehen. Valdez ist das einzige bisschen Zivilisation im Umkreis von 80 km am Thompson Pass.

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Alja im letzten Außenposten der Zivilisation

Ein Fischer- und Hafenort, der im Winter als einzige Besucher Heliskifahrer, Slednecks und Tourengeher hat. Ein Supermarkt, einige Restaurants und Schnee auf Meereshöhe, das ist Valdez. Trotz des warmen Winters hatte es dort öfters bis in die Stadt hinunter geschneit und unsere neue Spielwiese sah zumindest winterlich aus.

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Valdez, die Perle der Chugach Mountains mit ihrem Hafen, wo nicht nur die Seebären nach getaner Arbeit duschen, sondern auch wir wurden für vier Dollar sauber.

Und das wurde unser Rhythmus. Zwei bis drei Tage Tourengehen am Pass und dann in der Stadt Vorräte kaufen und am Hafen für vier Dollar duschen, denn länger kann man die eigene Verwahrlosung nicht tolerieren, wenn man noch unter Menschen gehen will. Wie schon im Roadtripbeitrag erklärt, lässt einen eine Wohnmobil Reise (im Winter) die Wohltat warmen fliessenden Wassers ganz neu wertschätzen.

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Immer der gleiche tägliche Trott. Äußerst angenehm…

Natrürlich hat man an einem der schneereichsten Orte der Welt nicht jeden Tag Sonne und somit gibt es mehrere Arten der Freizeitgestaltung wenn es schneit: Möglichkeit eins, man folgt den reichen Gästen der Tsainalodge und geht im Cat Skiing Gebiet zwischen den Bäumen kleine Touren.

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Pilows in Schwarzweiss…

Das geht aber nur, wenn es viel schneit und wenn es kalt genug ist, dass der Schnee auch Spaß macht. Abgesehen davon kann man dann nur 300 Höhenmeter Runden drehen, da die Baumgrenze etwa bei 500-700m liegt und man darüber nichts sieht. So hatten wir zwei wirklich lustige Tage an denen wir uns auf die Suche nach den besten Pillows und etwas Sicht machten. Gänzlich unalaskanisches Skifahren, aber auch immer witzig, denn man sieht nicht immer alle Pillows und so schlägt man auch mal unerwartet irgendwo ein.

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…kann man nie genug haben.

 

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Auch in Farbe ist der Schneesturm toll.

Oder aber man regeneriert und frönt dem Müßiggang, da es ja jederzeit wieder aufreissen kann und man dann bereit für die nächste Aufgabe sein muss. Dazu haben wir uns auf den Parkplatz der Luxuslodge gestellt und ihr Internet angezapft.

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Ruhetag in der Luxuslodge. Das IPA war erstaunlich preiswert und lecker.

Unser nächstes Skiziel  am Pass war der R.F.S. wobei das R für really und das S. für steep steht. Der Berg heisst tatsächlich nicht nur in der Umgangssprache so, da es dort soviele unbenannte Berge gibt, die nur eine Bezeichnung „Peak“ und eine Höhenangabe haben, so dass sich dann die Namen der Locals irgendwann auch in den Tourenbüchern wiederfinden.

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Auf dem Weg nach oben

Oben sollte er 50° haben, was sich dann bei unserer Besteigung als eher übertrieben herausstellte. 45-47° machen aber auch Spaß, nur leider zogen wieder Wolken auf und wir hangelten uns an den Spuren der Heliskifahrer die Steilwand hinunter. Normalerweise wäre man sehr ungehalten, wenn einem der Heli eine Stunde, bevor man selber den Gipfel erreicht, ein paar Skifahrer vor die Nase setzt, während man den Grat entlang Richtung Einstieg stapft, aber in diesem Fall waren wir sehr dankbar, dass wir ihren Spuren nach dem Ende der Steilwand  im Zwielicht über den Gletscher folgen konnten. Denn so witzig konturloses Skifahren in harmlosen Gelände ist, weil man keinem Kontrast hat und völlig überraschend Bekanntschaft mit jeder Bodenwelle macht, so gefährlich ist es auf einem Gletscher mit Spalten, deren verräterische Vertiefungen man in der Schneedecke auch nicht mehr sieht.

Die restlichen Tage sind wir einfach nur Powder gefahren. Schöne kleine Linien die Spaß machten und durchaus fotogen waren.

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Minilines machen immer Spaß

In der letzten unserer drei Wochen als Straßenschiff Kapitäne wurde es leider sehr warm und es begann bis fast auf Gipfelhöhe zu regnen. Also blickten wir wehmütig ein letztes Mal auf die grandiose Kulisse des Thompson Pass und machten uns auf den Rückweg Richtung Anchorage, um dort im Landesinneren am Hatcher Pass evtl. noch  kalten Schnee zu finden.

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Hier schneit es noch am Pass, wenig später fing es auch hier oben an zu regnen.

 

Aber auch dort war der Frühling angekommen und es wurde so warm wie sonst Anfang Mai. Also vergnügten wir uns bei warmen Frühjahrstouren und fuhren im softeisähnlichen Matsch herum.

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Die Aussicht vom Parkplatz am Ende der Passstraße

Immerhin haben wir noch eine lustige AK Anekdote erzählt bekommen, denn dort haben wir einen Schweizer kennen gelernt, der mit seinen amerikanischen Freunden unterwegs war. Leider haben wir es nicht selber gesehen. Als sie von Anchorage zum Hatcher Pass hoch gefahren sind stand an einer Brücke ein bärtiger Zausel mit Maschinengewehr im Anschlag auf der Ladefläche seines Pick Up Trucks und hat sie eingehend gemustert. Auf die Frage hin, ob sie denn anhalten müssten, weil es eine offizielle Kontrolle sei, antworteten seine Kumpel anscheinend nur „Nah, that’s just a weird guy. He’s there very often“. Auf unsere verwirrte Frage, was er denn damit bezwecke meinten sie nur: Ach, der beschützt Alaska, also das echte Alaska, vor den verweichlichten Städtern aus Anchorage. Nach unseren fünf Wochen in AK erschien uns das total plausibel und wir stellten keine weiteren Fragen mehr.

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Unsere kleine Farm. Hier könnte der bärtige Zausel wohnen. Man beachte Schaukelstuhl und Flagge!

Das Gebiet am Hatcher Pass hätte auch Potential gehabt und wäre sogar noch zugänglicher als der Thompson Pass gewesen, aber so sind wir nur zwischen den verfallenen Goldminen umhergewandert und haben die Landschaft genossen.

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Leider warm und gefährlich, sonst sicher sehr coole Linien und vor allem leicht von hinten zu erreichen.
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Gipfelkreuze kennt man, aber eine Aussicht auf eine Goldmine ist neu.

Ein entspannter Abschluss eines großartigen Trips. Auch wenn wir nicht ausschließlich die RED BULL MONSTERENERGY #AWESOME Superlinien gefahren sind, war es eine unglaubliche Reise nach Alaska mit Momenten, die man bis zu einem Lebensabend im Gedächtnis haben wird.

Tausche Geld gegen Erinnerungen. In jedem Fall ein gutes Geschäft und nicht vergleichbar mit dem Geschäft der amerikanischen Ureinwohner, die Glasperlen und Schnaps für den amerikanischen Kontinent eingetauscht haben. Vielleicht sollte man manchmal eben nicht mit der 21st century Smartphone Einstellung an die Sache herangehen und immer nur das krasseste wollen, weil man im Internet ja nur die kränksten Sachen überhaupt gesehen hat. Die Wahrheit ist auch bei den Profis, dass sie 80% der Zeit nur schöne Sachen fahren und nicht nur permant haarsträubende Dinge im Schnee erleben.

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Die Abschlusstour, mit tollem Couloirpotential im Hintergrund

Ausserdem hat diese letzte Woche uns gezeigt, dass wir beim Heliskifahren echtes Glück mit dem Wetter hatten, denn wie man im Internet lesen konnte sind die Kunden der letzten Märzwoche nicht geflogen. Gar nicht. Wir sind also sehr zufrieden in Anchorage ins Flugzeug gestiegen.

Wir haben Nordlichter gesehen, sind tolle Linien gefahren und hatten zusammen die beste Zeit in tollem Schnee. Was will man mehr?

Jetzt muss ich erstmal in Konstanz die Wunden meines Bankkontos verbinden, Videos schneiden und dann überlege ich, ob es noch für weitere Reiseanekdoten langt, oder ob ich nur mehr die Alpen am Fels und im Hochgebirge auf Ski unsicher machen werde.

Ich habe mir auch überlegt, dass es doch schön wäre mal drei Monate auf der Couch zu liegen und RTL II zu schauen, oder töpfern zu lernen, also Dinge die ich schon immer mal machen wollte ;).

Wenn noch etwas spannendes passiert, taucht das natürlich hier auf.

In diesem Sinne bis zum nächsten Blogeintrag: So long and thanks for all the Fish!

steeze
Huch wo kam denn das letzte Pillow her?