Jetzt ist er endlich da, der große Trip und wir haben schon so einige Höhen und Tiefen mitgemacht, von denen wir berichten wollen. Eine emotionale sowie vertikale Achterbahnfahrt im 49. Staat der USA, der „Last Frontier“, wo Männer Bäuche, Bärte und Schrotflinten haben und alle menschlichen Ansiedlungen mit mehr als 10 Einwohner pro Quadratkilometer als verweichlichte Großstadt gelten.

Der Anfang der Reise von Konstanz nach Anchorage war recht unspektakulär. Bis auf das antizipierte völlige Durcheinanderbringen des Biorhythmuses.

Der Schlafentzug ist bei unseren großen Trips ja schon fast ein treuer Gefährte, der sich auf den Zwischenstopflughäfen dieser Welt immer zu uns ans Gate gesellt. Konstanz-Frankfurt-Amsterdam-Seattle-Anchorage. Sonntag den 28.2. um 8 haben wir in Konstanz gefrühstückt und um 20 Uhr sind wir am 29.2. in Anchorage ins Bett gegangen. Mit Zeitverschiebung macht das locker flockige 46 Stunden ohne Schlaf, aber dafür mit acht Stunden Kinoprogramm über den Wolken.

In Seattle war ich kurz überrascht, dass man in die Terrorparanoiahochburg USA ohne persönlichen Check einreisen darf, wenn man in den letzten Jahren schon einmal dort war. Ein Computer und kein furchteinflößender Immigration-Mann auf einem Powertrip hieß uns im Land der unbegrenzten Möglichkeiten willkommen. Irgendwie habe ich die bohrenden Fragen, was wir denn in den USA wollen, aber nicht wirklich vermisst. Man fühlt sich immer irgendwie schuldig.

Nach unserer wohlverdienten Mütze Schlaf ging es erstmal Ausrüstung in Anchorage besorgen und dann in Richtung des Turnagain Pass auf der Kenai Halbinsel südlich von Anchorage. Hier hatte es innerhalb von 7 Tagen etwa 3-4m Neuschnee gegeben, und man kann von der Passstraße aus Touren gehen.

Unsere Basis im Alyeska Hostel
Unsere Basis im Alyeska Hostel

Das ist wichtig, denn so einladend die Berge hier mit ihren Couloirs, Steilhängen und Spines überall aussehen und sich lasziv an den Fjorden drapieren, so schwierig ist es diese Hänge zu erreichen. Während in den Alpen überall Skigebiete, Forststraßen und Almen das Vorankommen in die Berge erleichtern gibt es hier nichts. Maximal ein paar Skidoospuren, die die „Slednecks“ allenthalben in die Landschaft fräsen, erleichtern den Zustieg.

Verlockend aber unerreichbar, die Linien am Horizont.
Verlockend aber unerreichbar, die Linien am Horizont.

Und es ist weit. Wenn man nicht nach den tiefhängenden Früchten am Pass greifen, sondern den einladenden Spines in der Ferne einen Besuch abstatten will, müsste man sich erstmal 5 km durch dichten flachen Wald quälen und/oder 10 km einen Flußlauf entlang stapfen, um dann über zwei weitere Rücken und Täler zum eigentlichen Aufstieg zu gelangen. Ein Ding der Unmöglichkeit (im Land der unbegrenzten Möglichkeiten 😉 ). Wir haben uns in den Couloirs am Pass vergnügt, die zwar weniger Alaskatypisch aussahen, aber auch tollen Powder enthielten.

Alja am Einstieg zu einem Alaska Couloir
Alja am Einstieg zu einem Alaska Couloir

Und selbst dorthin haben wir uns ca. eine Stunde durchs Dickicht schlagen müssen, bis wir am zweiten Tag einen viel besseren Zustieg über die Baumgrenze entdeckten.

Entspanntes Einfahren bei 40°
Entspanntes Einfahren bei 40°

Wenn man dann die Aufstiegsspur entdeckt oder ihr durch den Wald gefolgt ist, hat man es noch lange nicht geschafft. In etwas steilerem Gelände wartet die nächste Überraschung, die einen sehr entspannten Berg in eine alpinistische Herausforderung verwandelt, die US-Aufstiegsspur™.

Der Lohn nach der US Aufstiegsspur, ein weiteres Couloir mit Pulverschnee
Der Lohn nach der US Aufstiegsspur, ein weiteres Couloir mit Pulverschnee

Amerikaner haben eine Spitzkehrenallergie und gehen lieber steile Rundkurven in denen man herrlich zurückrutscht und hinfällt. Ausserdem vermeiden sie sinnvolle Spuranlage in einem Hang, indem sie viel zu steile Spuren mit viel zu vielen ihrer geliebten Rundkurven anlegen. Korrigiert man dann ihre Spuranlage, so folgen alle anderen der europäischen Spur. Merkwürdig, denn warum haben sie die Spur dann anfangs überhaupt so benutzerunfreundlich anlgelegt? Ein Geheimnis, das wahrscheinlich mit den Kennedy Attentatsakten in Area 51 gehütet wird.

Aufstiegsspur überlebt? das muss mit einem Trippleberry Scone belohnt werden.
Aufstiegsspur überlebt! Das muss mit einem Trippleberry Scone belohnt werden!

Meinen 50. Skitag habe ich direkt am Parpkplatz mit einem echten „Alaskan Freeride APA“ gefeiert, ein Bier für amerikanische Helden. Alles ist awesome, alles ist Pathos und nichts kann einfach nur ganz normal und nett sein.

Alja hat zwar keine 50 Tage, aber sie feiert gerne mit, da auch sie ein leckeres APA zu schätzen weiss.
Alja hat zwar keine 50 Tage, aber sie feiert gerne mit, da auch sie ein leckeres APA zu schätzen weiss.

Auch die Autos nicht, aber das war mir ja schon in Revelstoke aufgefallen. 5,7 Liter Hubraum V8 Monstertrucks sind ein Muss, obwohl die Passstraßen hier einem Schweizer nur ein mitleidiges Lächeln entlocken würden. Man käme auch ohne weiteres mit einem Fiat Multipla mit Sommerreifen hier hoch.

Ja aber warum denn dann Alaska, wenn man eh nicht zu den Filmlinien hin kommt? Zuhause kann man doch auch ganz viel Spaß haben! Das stimmt, aber…

Erstens: Doch man kommt hoch. Mit einem Heli. Und das ist dann der zweite Teil der Alaska Chronicles.

Und Zweitens: Abgesehen vom Skifahren geht es beim Reisen ja auch darum, etwas Neues zu sehen und neue (fremde und rätselhafte) Kulturen kennenzulernen. `MERICA! Yeehaw! Trump2016!

Doch dazu mehr in Teil II