Alles eine Frage der Perspektive, denn während manch einer meinen könnte mit dem Flugzeug dem Schnee nachzureisen wäre der Inbegriff der westlichen Dekadenz, so ist es für mich eine reine Notwendigkeit. Ein menschliches Grundbedürfnis sozusagen, wie Atmen und Bier trinken eben.

Und genau wie Alkohol kann Powder eine Droge sein. Über den verantwortungsvollen Umgang mit Powder bin ich allerdings längst soweit hinaus so wie es Harald Juhnke im Umgang mit klarem Schnaps war. Ich brauche mehr. Immer mehr, immer tiefer und immer steiler.

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Stairway to heaven – auf dem Weg zum Skiers High. Tagebuch eines Pulverabhängigen.

Ist es das wert? Morgens um 5:30 Uhr aufstehen, seine Ski zum Air Canada Schalter schleppen und versuchen einer Servicemitarbeiterin klar zu machen warum es von der IATA erlaubt ist seine 20mg Sprengstoff in der Lawinenrucksackaktivierungseinheit mit in ein Flugzeug zu nehmen?
Ja ist es, wenn man wie ich in Revelstoke mit fast perfektem Pulverschnee belohnt wird.

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Der Ausblick vom Skigebiet in das Backcountry von Revelstoke – zu erreichen mit einer 20min Tour

Allein die abendliche Anreise mit dem Greyhoundbus durch die tief verschneiten Rocky Mountains, vorbei am Rogers Pass war beinahe die Reise wert. Schnee ist eine Art Weichzeichner für die Landschaft und genau wie der Weichzeichner im Film eine Atmosphäre schafft, so tut es der Schnee in den Bergen. Spitze und wenig einladende Felsen werden zu spaßigen Pillows die einen zum herunterhopsen einladen. Grünbraune Tristesse, wie derzeit in den Alpen, wird durch Schnee zu einem Selbstbedienungsladen der Glückseligkeit.

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Touren am Rogers Pass. Man trifft eigentlich immer nette Leute im Hostel.
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Das Rogers Pass Visitors Center mit unserem Ziel der Grizzly Shoulder im Hintergrund

Wenn die Mitglieder diverser Sekten und Religionsgemeinschaften wüssten wie leicht es ist das Glück durch Skifahren zu finden, müssten sich einige Gurus einen neuen Job Suchen. Andererseits gibt es bereits mehr als genug „Erleuchtete“, die einem an einem Powdertag den Pulver vor der Nase wegschnappen.

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Hier das Ashram des eleuchteten Gururs Roger, Stufe zwei auf dem Weg ins Powdernirvana.
Ganz besonders arg ist es in Nordamerika, denn im Gegensatz zu Europa, wo jeder Meter neben der gewalzten Piste bedeutet, dass man auf sich allein gestellt ist, gibt es in Kanada und den USA das so genannte „Inbounds“ , eine Art Abenteuer-Powder-Spielplatz für Große Kinder, wo die Ski Patrol darauf achtet, dass sich auch ja keine Lawinen lösen können und man ohne Gedanken oder Ausrüstung im Pulver spielen kann. Natürlich tut das auch jeder und somit muss man schon erfindungsreich sein um noch unverspurtes Terrain zu finden.

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Nettes Gelände ausserhalb des Skigebiets, das durch eine kurze Traverse zu erreichen ist.

Oder man geht Touren, denn die Ausmaße der Gebirgsketten sind riesig und gleichzeitig verhältnismässig unerschlossen, so dass es endloses Terrain zu erkunden gibt. Entweder macht man das von einem der Highwaypässe, so wie ich, oder mit Skidoos, die jeder anständige Kanadier sein eigen nennt und mit einem riesigen Truck spazieren fährt. Mit diesen Motorschlitten kann man auch die recht entfernten Täler schnell erreichen ohne 5 Stunden zum Hang seiner Träume zu stapfen zu müssen.

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Tour gehen, Skidoo fahren oder Catskiing buchen, so bekommt man unverspurten Pulver

Überhaupt war Revelstoke sehr nett und dennoch sehr nordamerikanisch. Man kann zwar alles zu Fuß erreichen, aber man fährt lieber mit seinem 5.7 Liter V8 Monstertruck herum (Mit zwei Skidoos hinten drauf!). Und so habe ich mich angepasst, Burger gegessen, ein Mt. Begbie getrunken und ein Eishockey Spiel geschaut. Die Revelstoke Grizzlies haben 4:3 gewonnen. Ich als neuer größter Fan sage: Woohoo. Und, viel wichtiger, ein paar Spieler dieser Junior Hockey League Teams (Alter 14-18) haben sich zünftig eins auf die Fresse gegeben und mir so jedes Eishockeyklischee bestätigt das ich mir ausgemalt hatte.

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Alles ist irgendwie amerikanischer, auch der Skibus.
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Powder auf Bäumen, Powder mit Menschen. Meine Photomotive sind etwas eintönig.

Achja.. Powder bin ich auch gefahren, jede Menge sogar. Ich habe am Rogers Pass die abgefahrenste Pillowline meines bisherigen Lebens gesehen, bin sie aber nur teilweise gefahren, da wir schlechte Sicht hatten und ich mich an den Bäumen entlanghangeln musste. Denn so lustig das Hopsen von eingeschneiten Felsbrocken ist, so unlustig ist es sie von oben nicht zu sehen, da alles eine weiße Fläche zu sein scheint. Alles in allem waren die zwei Wochen jeden investierten Cent Wert.

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Rogers Pass mit einem 40 Tonner. Auf 100kmh beschleunigt wirken sie ganz schön beängstigend, wenn sie einem bergab entgegen donnern.

Mit der Landung in Frankfurt am 24.12. ging dieser kurzweilige Trip mit einer 48 stündigen Wachphase zuende und die familiären Verpflichtungen boten eine angenehme Ruhepause.

Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch wünsche ich Euch allen aus dem Tessin, wo ich das neue Jahr am Felsblock einläuten werde und mir bereits wieder die Wetterkarten anschaue, denn ihr wisst ja ein Powderholiker wird niemals richtig trocken.

P.S. Morgen gibt es noch ein paar Bilder.